VERBAND DER PARLAMENTS- UND VERHANDLUNGSSTENOGRAFEN E.V.

gekürzter Text aus NStPr 60/4 (2012) 101-118

„Ne fiant plausus!" – Zur Protokollierung des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962–1965

Vor 50 Jahren, im Oktober 1962, begann in Rom das Zweite Vatika­nische Konzil. Es steht in einer langen Reihe von 21 Ökumenischen Konzilien der katholischen Kirche seit dem 4. Jahrhundert, bei denen meist unter dem Vorsitz des Papstes Bischöfe aus dem ganzen christlichen Weltkreis zusammenkamen, um über Glaubensfragen und über das Verhältnis von Kirche und Welt zu beraten. Die Debatten­beiträge und Beschlüsse wurden dabei immer sehr sorg­fäl­tig dokumentiert, damit die getroffenen Entscheidungen der gan­zen Christenheit vermittelt und auch nachkommenden Generationen ge­treu überliefert werden konnten.

Geschichtlicher Rückblick

Seit der Antike bediente man sich bei vielen Konzilien der Kurzschrift.1 ... Das ... Erste Vatikanische Konzil von 1869/70 ... fiel sogar in die Blüte der neuzeitlichen Stenografie... Hier arbeiteten zwei Stenografenpaare gleichzeitig, ein Stenografenteam und ein Revisorenteam; die neun Stenografenpaare nahmen jeweils fünf Minuten in der Form auf, dass ein Stenograf fünf bis sechs Worte stenografisch in einer Zeile fest­hielt und dann, nachdem der Kollege eine Zeile in seinem Block ge­füllt hatte, bei sich in der nächsten Zeile weiterschrieb. Das Diktieren der Texte erfolgte dann vice versa ebenfalls jeweils zeilenweise. Die so entstandenen Druckfahnen ihrer Reden erhielten die Redner noch am selben Tag zur Durchsicht, sodass das Protokoll eines Sitzungs­tages schon am nächsten Tage vorlag. Dementsprechend schnell wurden die Reden in den offiziellen Akten des Konzils und zum Teil auch in landessprachlichen Übersetzungen veröffentlicht.

Über den eigentlichen Redetext hinaus wurden dabei von den Steno­grafen viele weitere Vorkommnisse wie Beifallsbekundungen, Un­ruhe, Murren und Zwischenrufe festgehalten. So vermerkt das Proto­koll auf die rhetorische Frage eines Bischofs, ob die Konzilsväter bei­pflichten würden, dass Konzilien dem Papst übergeordnet seien: „Tumultus – Non, non, minime!" Und auch, wenn der Konzils­präsident per Glocke „tintinnabulum" zur Ordnung ruft, wird dies protokolliert.

Vorbereitung der Protokollierung der Beratungen des Zweiten Vatikanums

Die Kommission zur Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils sah 90 Jahre später für die Dokumentation der Beratungen des Kon­zils nur die Aufzeichnung der Wortbeiträge auf Tonband vor. Aufge­zeichnet werden sollten dabei nur die Beratungen in der Konzilsaula, also im Petersdom, die sogenannten Generalversammlungen (congregationes generales), nicht die Beratungen in den Kommissio­nen. Letztere waren entsprechend zu den Beratungsgegenständen eingerichtete Ausschüsse, die sich aus von den Konzilsvätern ge­wähl­ten Bischöfen und vom Papst bestimmten Bischöfen zusammen­setzten und in denen auch Sachverständige Rederecht hatten. Die­ser Beschluss wurde jedenfalls am 19. Juni 1961 in einem naiven Vertrauen auf die unbegrenzten Möglichkeiten der techni­schen Ent­wicklung, das auch manche Konzilsdokumente durchweht, gefasst.6 Erst auf Drängen von Papst Johannes XXIII. wurde im Spät­sommer 1961, also gut ein Jahr vor Konzilsbeginn, auch der Einsatz von Steno­grafen vorbereitet. Das war selbst unserer Verbands­zeitschrift eine Meldung wert:

Presseberichten zufolge sucht der Vatikan für das bevor­stehen­de Weltkonzil, dessen Verhandlungssprache wiederum Latein sein wird, der lateinischen Sprache kundige Steno­gra­phen, die imstande sind, die Verhandlungen aufzu­nehmen.7

Die Wahl des Lateinischen war damals noch nicht so ungewöhnlich, wie sie heute erscheint: Die verbreiteteste der offiziellen Liturgiesprachen in der katholischen Kirche war nämlich zur damali­gen Zeit Latein. Da sich allerdings kaum ein Stenograf fand, der die genannten Anforderungen erfüllte, war wie schon beim Ersten Vatikanum eine spezielle Ausbildung von Konzilsstenografen unum­gäng­lich. Mit dieser Aufgabe wurde Oberstudienrat im Hochschul­dienst Aloys Kennerknecht betraut, der seit 1947 am Aus­lands- und Dolmetscherinstitut der Universität Mainz in Germersheim als Lehrer für fremdsprachige Kurzschrift tätig war. Er griff dabei aller­dings nicht auf die Erfahrungen von 1869/70 zurück, sondern erarbei­tete zu­sammen mit Alphons Kloos und dem Theologie­studenten Albrecht Kronenberger eine Anpassung der in Deutsch­land gebräuchlichen Deutschen Einheitskurzschrift an die lateinische Sprache.8

Ausbildung der Konzilsstenografen

Bezüglich geeigneter Stenografen stellte sich die Situation ganz ähn­lich wie 90 Jahre zuvor dar. Zwar gab es mittlerweile in den Parla­men­ten aller europäischen Demokratien Parlamentsstenogra­fen, je­doch kaum solche, die lateinische Reden stenografieren konnten und darüber hinaus noch etwas von Theologie verstanden. So entschied man sich wiederum, extra für diese Aufgabe Geistliche und Semina­risten aus verschiedenen Ländern auszubilden. Als Vor­teil erwies es sich, dass in vielen kirchlichen Hochschulen und theologi­schen Fakul­tä­ten das Lateinische als Unterrichtssprache noch in Gebrauch war. Einen schönen Bericht über das Auswahl­verfahren und die Ausbildung durch Kennerknecht gibt ein damaliger Student des iri­schen Kollegs, Michael Smith[9]:

Gegen Ende des Jahres 1961 fragte mich der Rektor des Iri­schen Kollegs, ob ich an der Erstellung des offiziellen Proto­kolls bzw. der Acta des Konzils teilnehmen wolle, wofür ich allerdings lateinische Kurzschrift lernen müsse. Ich war in meinem dritten theologischen Studienjahr an der Lateranuniversität und brauchte nicht zweimal gefragt zu wer­den. Insgesamt 42 Studenten aus den römischen Priesterseminarien wurden ausgewählt, die Mehrzahl Italie­ner. ... Neben unseren normalen Kursen an der Universität besuch­ten wir an den meisten Abenden seine Unterrichts­einheiten im Vatikan. Es war eine interessante und heraus­fordernde Tätigkeit.[10]

Ob nun 4011, 42, wie von Smith erinnert, oder 43 Kleriker12 – sie ka­men jedenfalls aus 14 verschiedenen Ländern: Ägypten, Ceylon, Deutschland, England, Frankreich, Indien, Irland, Italien - stellte mit 22 Klerikern die größte Gruppe -, Mexiko, Österreich, Paraguay, Ruanda-Urundi, Spanien und den USA. Ne­ben Smith konnte Vf. bisher folgende Personen namentlich als Konzils­stenografen eruieren:

  • Giancarlo Atzei aus der Diözese Cagliari, zu­letzt Vizekanzler der dortigen Kurie;
  • Roger Duprez aus der Diözese Lille;
  • Helmut Krätzl13, der nur bei der ersten Session 1962 als Steno­graf gearbeitet hat,14 später Weihbischof der Erz­diözese Wien;
  • Rein­hard Lettmann, später Bischof von Münster;
  • Ferdinand Staudinger, 1964–2006 Professor für die Bibel­wissenschaft des Neuen Testaments an der Philosophisch-Theologi­schen Hochschule in St. Pölten, 
  • aus dem Nordamerikanischen Kolleg der Priester William K. Leahy aus der Diözese Philadelphia und der Seminarist Kenneth Buhr aus der Erzdiözese Los Angeles;
  • aus dem Collegium De Propaganda Fide Gerald E. Bensmann (aus Anna/Shelby County) aus der Diözese Memphis - nur die ersten drei Sitzungsperioden - und  Michael D. Beatty (1938-2011) aus der Erzdiözese Cincinnati;
  • John Fitzsimmons (1939-2008) aus der Diözese Paisley/Schottland sowie
  • Antonio Giustetto IMC († 2002), der als Missionar in Kenia ein Hand­buch für kisuahelische Stenografie verfasste, das zunächst in der von ihm gegründeten Handelsschule für Mädchen und dann auch an vielen staatlichen Schulen in Kenia eingeführt wurde.

...

Ein wichtiger Punkt neben der Ausbildung war selbstverständlich auch die technische Ausstattung der Konzilsaula. Statt für rund 774 Teil­nehmer wie beim Ersten Vatikanum musste der Petersdom nun für über 2 500 Konzilsväter hergerichtet werden, die alle einen eigenen Sitz mit einem Schreibpult bekommen sollten. Daneben musste auch für entsprechende technische Ausstattung gesorgt wer­den: 42 Flut­lichter wurden installiert, darüber hinaus 68 Lautsprecher und 37 Mikro­fone: 24 für die Konzilsväter und 13 für das Konzils­präsidium und den Papst sowie – im Hinblick auf liturgische Voll­züge – für die Orgel und den Chor. Außerdem gab es fünf Tonband­geräte, von de­nen jeweils zwei mitliefen. Ein Tonband wanderte di­rekt in das Ar­chiv, während das andere den Stenografen zur Verfü­gung stand. Ebenso wie die Arbeitsplätze des Konzilspräsidiums wa­ren auch die Arbeitsplätze der Stenografen mit Tischlampen ausge­stattet: So herrschten dank der Akustik und Beleuchtung und der mitlaufenden Tonbandgeräte gute Arbeitsbedingungen für die Steno­grafen, die di­rekt neben dem Papstaltar im Petersdom an Tischen saßen und in Büros in unmittelbarer Nähe der Konzilsaula ihre Steno­gramme in Langschrift übertragen konnten.

Der Generalsekretär des Konzils, Erzbischof Felici, hatte eine große Hochachtung vor den Stenografen. Diese drückte sich darin aus, dass er vor der Eröffnung eines jeden Sitzungstages ein von ihm selbst oft erst kurz zuvor verfasstes lateinisches Gedicht vortrug, damit sich die 37 Stenografen, die von den 43 übrig geblieben wa­ren, als das Konzil am 11. Oktober 1962 zum ersten Mal im Peters­dom zusammentrat, einschreiben konnten.

Die Protokollierung und ihre Schwierigkeiten

Das am 6. August 1962 erlassene Motu proprio „Appropinquante Concilio", in dem Papst Johannes XXIII. die Geschäftsordnung des Konzils festlegte, erhielt in Kapitel VI, Art. 15, § 12, auch Bestimmun­gen für die Stenografen, die als Tachigraphi bezeichnet wurden:

Die Reden und Entscheidungen der Konzilsväter halten die Stenografen schriftlich fest; ferner übergeben sie ihre in Lang­schrift übertragenen Notizen dem Generalsekretariat zur Er­stel­lung des offiziellen schriftlichen Berichts.16

Für die Protokollierung der Reden griff man auf das in den meisten Parlamenten der Welt übliche System von Turnussen zurück: Zwei Stenografen schrieben gleichzeitig jeweils 10 Minuten, bevor sie vom nächsten Paar abgelöst wurden, und jeder übertrug dann 5 Minuten der 10 Minuten unter Hinzuziehung des Stenogramms des anderen und des Tonbandgerätes in Eigenregie. Hierbei traten allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten auf: Der Konzilsstenograf Reinhard Lett­mann berichtet, ein winziges Missverständnis habe bereits genügt, um die Stenografen aus der Bahn zu werfen. Das habe auch daran gelegen, dass die Bischöfe je nach Herkunft manche Begriffe unter­schied­lich aussprachen. So hätten die Amerikaner statt von ‚libertas' von ‚laibärtas' gesprochen, während die Spanier nicht zwi­schen v und b unterschieden: „Meinten sie nun „vivere" oder „bibere", leben oder trinken?"[17] In seiner Rückschau auf die damalige Zeit führt Lett­mann die genannten Umstände als Grund dafür an, dass während der zweiten Sitzungsperiode im Herbst 1963 die steno­grafische Protokollierung der Debatten in der Konzilsaula abge­brochen worden sei.[18]

Hier kann man allerdings zu Recht fragen, ob es noch weitere Gründe gibt, warum die stenografische Protokollierung eingestellt wurde. Einen markanten Einschnitt stellt ja der Tod des bisherigen Papstes Johannes XXIII. am 3. Juni 1963 dar, auf dessen Initiative der Einsatz von Stenografen zurückging. Bevor aber auf inhaltliche Fra­gen eingegangen wird, soll zunächst einmal der Blick darauf ge­rich­tet werden, ob es unter formalen Gesichtspunkten einen qualitati­ven Unterschied zum Ersten Vatikanischen Konzil gab.

Um auf die unterschiedliche Aussprache des Lateinischen durch die Konzilsväter adäquat reagieren zu können, waren sowohl beim Ersten wie auch beim Zweiten Vatikanum Stenografen aus vielen verschiedenen Ländern eingesetzt worden. Da man bei der Turnus­einteilung allerdings nicht auf die Nationalität des Redners Rücksicht nehmen konnte, hatte man beim Ersten Vatikanum neben dem Turnusstenografenpaar noch ein Revisionspaar (turno di riscontro) vorgesehen, das keine bestimmte Zeit, sondern jeweils eine ganze Rede mitschrieb – also etwa französische Revisoren bei einem französi­schen Redner, englische Revisoren bei einem englische Redner – und dem hinausgehenden Paar jeweils seine Aufzeich­nungen mitgab. Anhand dieser konnten dann etwaige Zweifelsfälle geklärt oder Lücken aufgefüllt werden.

Ein weiteres Problem beim Zweiten Vatikanum scheint wohl auch die lateinische Adaption auf Basis der Prinzipien der Deutschen Einheits­kurzschrift mit sich gebracht zu haben.[19] Die Deutsche Einheits­kurzschrift ist nun einmal nicht in erster Linie für eine Sprache wie das Lateinische mit einer zweisilbrigen Grundstruktur der Wörter, zahlreichen verschiedenen Endungen und Mitlauten geschaffen...

Schwierigkeiten beim Stenografieren des Lateinischen stellen insbeson­de­re die vielfältigen Endungen dar, die – im Gegensatz zu modernen Sprachen, bei denen die Satzstellung in Verbindung mit Verben und Konjunktionen vielfach den Fall bestimmt – für die logi­sche Funktion von Substantiven und Adjektiven im Satzgefüge von außerordentlicher Bedeutung sind. Ebenso führen vielfältige Mitlautfolgen mit Aufstrich‑t zu unschönen Schriftbildern.

Auch das in der Kurzschriftdidaktik in Deutschland dominierende Diktum, bei der kurzschriftlichen Aufnahme möglichst alle lang­schrift­lichen Elemente zu vermeiden, mag vom Grundsätzlichen aus be­trachtet etwas für sich haben, wäre aber in dieser besonderen Situ­a­tion, in der Nichtkurzschriftkundige in nicht einmal einem Jahr auf eine anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet werden mussten, gegen­über einer pragmatischeren Herangehensweise besser in den Hinter­grund getreten. Denn jeder, der die Deutsche Einheits­kurzschrift er­lernt hat, weiß, dass die Internalisierung dieser Schrift und die entsprechen­de Automatisierung von kaum jemandem in knapp ei­nem Jahr zu bewältigen ist.

Ebenso der deutschen Gründlichkeit geschuldet ist wohl auch die nahe Anlehnung an das zur damaligen Zeit übliche Kollations­verfahren. In diesem besonderen Falle des Konzils, bei dem ja keine „Hochleistungsstenografen" zum Einsatz kamen, war die von Marchese auf dem Ersten Vatikanum gewählte alternierende bzw. stenodigraphische[20] Aufnahme Zeile für Zeile wiederum eine im Hin­blick auf das Ergebnis pragmatischere Herangehensweise.

Auch um andere praktische Fragen hat man sich wohl vorher keine Gedanken gemacht; denn eine Formalisierung der Kategorisierung von Beifallsbekundungen scheint es nicht gegeben zu haben. In den von den Stenografen erstellten Protokollen findet sich neben Plausus für allgemeinen Beifall die Bezeichnung Plausus in aula. Für teil­wei­sen Beifall finden sich Quidam Patres plaudunt (8. CG, vgl. ASCV I/1 530) und Plausus quorundam Patrum (9. CG, vgl. ASCV I/1 570). Zu Beginn der 2. Sitzungsperiode wird dann offenbar beim Beifall quantita­tiv gar nicht mehr unterschieden. Hier heißt es meist nur noch Plausus, zum Teil aber auch wieder Plausus in aula.

Abbruch der stenografischen Protokollierung

Mit dem Wegfall der ursprünglichen Aufgabe zu Beginn der 2. Sitzungs­periode sank die Zahl der Konzilsstenografen bis auf 1521 und später auf 1222 – eine zu geringe Zahl, um zeitnah ein redigiertes Wortprotokoll der jeweils circa dreistündigen Sitzungen mit Zurufen und differenzierten Beifallsbekundungen zu erstellen. Stattdessen wurden nun jeweils drei Stenografen pro Sitzungstag eingeteilt, die die Reden mit den vorher eingereichten Redemanuskripten vergli­chen, Rednerabfolge und besondere Vorkommnisse notierten sowie im Text festhielten, wo vom Manuskript abgewichen wurde. Jedes Dreierteam hatte dann bis zum Abend des darauffolgenden Tages Zeit, mithilfe der mit Fußschalter ausgerüsteten Tonbandgeräte eine Tonbandabschrift zu erstellen. Die meisten Protokolle der 168 Sitzungen, die jeweils im Herbst der Jahre 1962 bis 1965 statt­fanden, basieren also auf Bandabschriften.

Von den übrigen Klerikern, die ursprünglich als Stenografen vor­ge­sehe­nen waren, wandten sich einige anderen Heraus­forderungen zu – viele hatten wie auch Papst Johannes XXIII. gar nicht damit gerech­net, dass es mehr als eine Sitzungsperiode geben würde –, andere wurden fortan hauptsächlich als eine Art Saaldiener einge­setzt, als „assignator locorum", und mussten zum Beispiel bei Schlussabstimmungen die Abstimmungskarten der Konzilsväter ein­sammeln.23

Der italienische Kurzschrifthistoriker Giulietti rechtfertigt in seinem Bericht über die Stenografen auf dem Konzil unter Berufung auf den Leiter des Sitzungsdienstes, Msgr. Emilio Governatori, die Absage an ein stenografisches Wortprotokoll interessanterweise damit, dass eine Tonbandabschrift völlig ausreiche, weil das Konzil im Gegensatz zu anderen Versammlungen in vollkommener Ordnung ablaufe; Zwischen­fälle, Unterbrechungen, Unruhe, Beschimpfungen und Tumul­te seien unvorstellbar; Redezeitüberschreitungen oder Fehl­verhalten von Rednern könne der Konzilspräsident verhindern, in­dem er per Knopfdruck Verstärkeranlage und Aufnahmegeräte aus­schalte.24 Dies scheint eine sehr offiziöse Verlautbarung zu sein, die der Realität der meisten früheren Konzilien wie auch der des Zweiten Vatikanischen Konzils in keiner Weise entsprach. Vielmehr soll damit wohl ex post die Nichteinbindung der Konzilsstenografen und ihrer Protokolle in die verwaltungstechnischen Abläufe und Planungen der Konzilsleitung gerechtfertigt werden. Einer der Stenografen, Helmut Krätzl, spricht selber davon, dass „die Organisation am Konzil ... nahe­zu chaotisch war."25

Dies wird auch an einem weiteren Aspekt deutlich, der sträflich vernach­lässigt wurde, obwohl dieser für die Authentizität von Wort­protokollen einen hohen Stellenwert einnimmt: Während beim Ersten Vatikanum die Druckfahnen der Reden zumeist noch am selben Tag den Rednern, die es wünschten, zur Rednerkorrektur zugeleitet wur­den, hat es beim Zweiten Vatikanum kein entsprechendes Verfahren gegeben. Unerklärlich ist auch, dass die eigentlichen Protokolle erst zehn Jahre nach Konzilsende veröffentlicht wurden, als, um eine Metapher aus der Theologie zu gebrauchen, „alle Messen gesungen waren" bzw. die gravierendsten Reformen im Anschluss an das Kon­zil bereits umgesetzt worden waren. Hier drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die von Papst Johannes XXIII. gewünschte steno­grafische Protokollierung der Konzilssitzungen für die Konzilsleitung ein ungeliebtes Kind darstellte. Nach dem Tod dieses Papstes im Juni 1963, also nach der ersten und vor der zweiten Sitzungsperiode, bestand demzufolge kein Grund mehr, an der stenografischen Protokollie­rung festzuhalten. Auch vor diesem Hintergrund wundert es also nicht, dass sie bei erster sich bietender Gelegenheit einge­stellt wurde.

Folgen des Abbruchs der stenografischen Protokollierung

Insbesondere um die Authentizität der Protokolle des Ersten Vatikani­schen Konzils 1869/70 gibt es in der Literatur eine jahrzehnte­währende Auseinandersetzung. Aus den Protokollen der Generalversammlungen des Zweiten Vatikanischen Konzils wird demgegenüber nur ganz selten zitiert, und sie wurden meiner Kennt­nis nach noch nie einer kritischen Prüfung unterzogen.

Zunächst einmal lässt sich der Bruch zwischen einem von mitschreiben­den Stenografen erstellten Protokoll und reinen Band­abschriften am Wortprotokoll der Generalversammlungen des Kon­zils, das in den von 1970 bis 1978 veröffentlichten Akten zu den vier Tagungsperioden des Konzils abgedruckt wurde,26 gut nachvoll­ziehen: Ab Beginn der 2. Sitzungsperiode werden keine Differenzie­rungen von Beifallsbekundungen im Protokoll verzeichnet – kein Wunder, da ja bei einem nur vom Tonband erstellten Protokoll Differenzie­run­gen des Beifalls nicht auszumachen sind – und ab Mitte der 2. Sitzungsperiode gar kein Beifall mehr. Beides bedingt sich gewissermaßen; denn nur bei ganz seltenen Gelegenheiten werden alle Konzilsväter Beifall gespendet haben. Dass dennoch ge­klatscht wurde, lässt sich zum einen aus sitzungsleitenden Bemer­kungen des amtierenden Präsidenten Ne fiant plausus! [Bitte nicht klatschen!], zum anderen aus unzähligen Presseberichten schließen.

Ohne Frage lohnt aber in der Rückschau ein Blick in die gedruckten Protokolle. Insbesondere im Vergleich zu zeitgenössischen Dar­stellungen und jüngst veröffentlichten Tagebüchern von Konzils­vetera­nen scheinen neben der Frage der Beifallsbekundungen viele weitere formale und inhaltliche Ungereimtheiten auf, die in den Proto­kollen übergangen oder einseitig dargestellt werden. Somit kommt den Protokollen in ganz anderer Hinsicht als der dokumentarischen auch heute noch Bedeutung zu: Anhand dieser kann gezeigt werden, wie ein unzureichendes formales Vorgehen, hier also eine Dokumen­tation, die auf bloßen Tonband- bzw. Manuskriptabschriften beruht und erst zehn Jahre später erscheint, zu inhaltlichen Schieflagen führt.

Insuffizienz der veröffentlichten Protokolle

Während es im Protokolltext um redebegleitende Umstände wie Beifallsbekundungen, Unmutsäußerungen, Zurufe etc. immer dürfti­ger bestellt ist, wird zugleich akribisch festgehalten, inwiefern die gehalte­ne Rede von dem laut Geschäftsordnung im Regelfall einige Tage vorher einzureichenden Redemanuskript abweicht: Kursiv und mit der Fußnote „Deest" werden im Text in der Regel die Stellen dar­gestellt, die im eingereichten Redemanuskript fehlen. Umgekehrt werden Abweichungen vom Manuskript oder ausgelassene Text­passagen ausführlich in der Fußnote hinter der Feststellung „in textu scripto tradito" dokumentiert. Das führt sogar so weit, dass selbst die aufgrund von Überschreitung der Redezeit nicht mehr vorgetragenen Gedanken in den Fußnoten dokumentiert werden. Wer um dieses Verfahren wusste, konnte also gleichsam seine Meinung in doppelter Länge im Protokoll verewigen, einmal in dem transkribierten Rede­text und einmal in den Fußnoten. Leider kommt es sogar in theologi­schen Werken gar nicht so selten vor, dass aus dem Manuskripttext zitiert wird, ohne darauf hinzuweisen, dass die entsprechenden Worte nie in der Konzilsaula gefallen sind.

Ebenso werden die Manuskripte von Konzilsvätern, die zwar eine Rede angemeldet hatten, aber im Verlauf der Beratungen darauf verzichteten, sie zu halten – die auch aus der Parlamentspraxis in Deutschland bekannten „Reden zu Protokoll" –, in einer Fußnote hinter der Feststellung „textus scriptus traditus" wiederge­geben. Das führt in Einzelfällen dazu, dass das Protokoll über Seiten nur aus Fußnoten besteht.

Die Protokolle enthalten übrigens nicht ausschließlich lateinische Texte: Das Statement des melkitischen griechisch-katholischen Bischofs Joseph Maalouf, der gleich in der dritten General­versammlung französisch spricht, ist auch im Protokoll auf Franzö­sisch wiedergegeben, eine Übersetzung in die Verhandlungssprache fehlt allerdings ebenso wie bei den französischen Reden des Patriar­chen Maximos IV. Saïgh. Zugleich werden jedoch geschäftsleitende Bemerkungen des Konzilspräsidiums, die mit „Audiatis" eingeleitet werden, direkt im Anschluss im Protokoll in Englisch, Französisch, Italienisch, Deutsch und Arabisch wiedergegeben. Unklar bleibt da­bei allerdings, ob sie auch so in der Konzilsaula gehalten wurden. Jedenfalls fällt auf, dass gerade die deutschen Übersetzungen sehr schlecht und zum Teil auch inhaltlich falsch sind.

Aus der 3. Sitzungsperiode gibt es dann sogar noch ein Beispiel für eine stenografische Erfassung einer offiziellen Verlautbarung, die nicht in den Protokollen des Konzils abgedruckt wurde, die aber von einem der verbliebenen Stenografen protokolliert wurde und über dessen Nachlass in das Archiv der Catholic University of America in Washington gelangte.27 Zu Beginn der Generalversammlung vom 21. September 1964 kritisiert der Konzilspräsident Tisserant, dass Konzils­väter gegen die Regeln verstoßen:

Mehrere Konzilsväter haben sich darüber beschwert, dass eini­ge theologische Sachverständige Vorträge halten, um bestimm­te Tendenzen zu schüren und zu verbreiten. Die­sel­ben Väter haben sich auch darüber beklagt, dass Mitglieder der Kommission für die Glaubenslehre Handzettel verteilt hätten, die sich gegen die aktuell zur Lesung anstehenden Berich­te wenden. Es ist meine Pflicht, an die Regeln zu er­in­nern, die der Heiligste Herr uns gegeben hat und die zu Be­ginn der Sitzungsperiode den Konzilsvätern mitgeteilt wurden, und auf die Einhaltung dieser Regeln unablässig zu drängen.28

Hier wird immerhin ein schwerer Verstoß gegen die Geschäfts­ordnung des Konzils festgehalten, nämlich unzulässige Einfluss­nahme der Berater der Bischöfe auf andere Bischöfe. Da die Ausfüh­rungen per Lautsprecher in der Konzilsaula übertragen wurden, wie die Tagebucheinträge anderer Konzilsteilnehmer zeigen, ist kaum davon auszugehen, dass sie nicht auch von den mitlaufenden Tonband­geräten registriert wurden. Es verhält sich wohl eher so, dass diese Ausführungen absichtlich nicht in das Protokoll des Kon­zils aufgenommen wurden, um der nach dem Konzil immer wieder geäußerten Kritik, dass die Berater an den Bischöfen vorbei die Konzils­entscheidungen in ihrem Sinne beeinflusst hätten, keinen Vorschub zu leisten.

Ein weiteres Beispiel: Das Konzilspräsidium war gemäß Geschäfts­ordnung – ähnlich wie das Präsidium von Parlamenten – zur Neutra­lität verpflichtet. In der heißen Phase des Konzils im November 1963 enthielten sich jedoch bei der Gegenrede zu einem Geschäftsordnungs­antrag zum Dekret über die Ökumene, das ja stark umstritten war, die Konzilsmoderatoren nicht des Beifalls. Sol­cher Beifall bzw. andere Äußerungen von Zustimmung oder Unmut sind meist auf Tonbandmitschnitten nicht zu hören; um sie aufzu­zeichnen bedarf es Protokollanten, die auch komplexere Sach­verhal­te schnell notieren können. In der Bandabschrift ist dieses geschäftsordnungs­widri­ge Verhalten gemäß der allgemeinen Vor­gabe, keine Beifallsäußerungen mehr aufzuzeichnen, jedoch nicht verzeichnet; allerdings finden sich dafür wiederum eindeutige Belege in Tagebüchern von Konzilsteilnehmern und auch in zeit­genössi­schen Presseberichten. Sogar die vom Antragsteller darauf­hin beim Konzilspräsidium beantragten Maßnahmen gegen Beifalls- und Unmutäußerungen der Konzilsmoderatoren sind an ganz ande­rer Stelle in den Akten enthalten. An dieser Stelle entwertet sich das Tonbandprotokoll also von selbst.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Vorwurf der Parteilichkeit gegenüber dem vom Papst ernannten Konzils­präsidium – Generalsekretär, Präsidenten, Moderatoren –, das mit­hilfe von Promotoren und Notaren für die Anlage des Konzilsarchivs sowie die Aufbewahrung der Akten, die durch protokollarische Auf­nahme von Schreibern und Stenografen entstanden sind, zu sorgen hatte, nicht verstummt. Erst jüngst stellte der schon genannte Sekre­tär Governatori fest, dass im Konzilsarchiv Dokumente manipuliert wur­den, Findbücher verschwunden sind und manche Dokumente erst gar nicht in diesen verzeichnet wurden.29

Kein Korrektiv für tendenziöse Presseberichterstattung

Neben diesen eher auf der geschichtlichen Ebene zu betrachtenden Problemen führte die unzureichende Sitzungsdokumentation des Zweiten Vatikanums aber auch schon damals zu Verwerfungen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn in den von Presseagenturen herausge­gebenen Kommuniqués und auch im Tagebuch des Kon­zils, das aufgrund der Meldungen der offiziellen Nachrichtenagentur der deutschsprachigen Bischöfe – KNA in Bonn für Deutschland, KIPA in Fribourg für die Schweiz, Kathpress in Wien für Österreich – jeweils im Anschluss an eine Sitzungsperiode herausgegeben wurde, von Beifallsbekundungen berichtet wird,[30] diese sich aber anhand des Protokolls nicht mehr verifizieren lassen. Problematisch wird es insbesonde­re dann, wenn diese Presseberichte tendenziös oder se­lektiv ausfallen. So wird zum Beispiel im Tagebuch des Konzils ex­pli­zit Beifall erwähnt, als ein Redner die römische Kurie kritisierte, der Beifall jedoch, den der zuständige Kurienkardinal für seine Verteidigungs­rede erhielt, wird nicht erwähnt.

Im Fall der 63. Sitzung am 8. November 1963 ist diese tendenziöse Berichterstattung [a. a. O. 149 f.] anhand der Protokolle heute klar nachweisbar, da die entsprechende Sitzung noch mitstenografiert wurde; dabei stellt es allerdings ein großes Manko dar, dass die entsprechen­den Protokolle erst knapp zehn Jahre später veröffent­licht wurden. Für die Zeit, als die Protokolle nur noch auf der Basis von Bandabschriften erstellt wurden, ist man dagegen vollständig auf Sekundär­quellen angewiesen: In den Tagebüchern von Konzils­teilnehmern und -beobach­tern, die insbesondere in den letzten Jah­ren veröffentlicht wurden, finden sich zahlreiche Hinweise auf Beifalls­bekundungen,[31] die alle nicht mehr in den Protokollen ver­merkt sind, von diesen aber zum Teil sogar noch als frenetisch usw. qualifiziert werden. Hier bieten die Protokolle nunmehr überhaupt kein Regulativ mehr zu etwaiger einseitiger Berichterstattung.

Auch der Versuch von Kardinal Suenens von Mecheln, bei den Be­ratungen über die dogmatische Konstitution Lumen Gentium am 16. September 1964, die Konzilsaula dazu zu animieren, den andert­halb Jahre zuvor verstorbenen Papst Johannes XXIII. per Akklama­tion seligzusprechen, ist in den Akten nicht dokumentiert,32 obwohl auf den Tonbändern deutliche Stimmungsmache in diese Richtung zu hören ist.33

Eine Benachteiligung bestimmter Redner ist schließlich auch darin zu sehen, dass es für die zeitnahe Veröffentlichung ihrer Reden kein Verfahren gab. Gerade die Bischöfe, die etwa aus Südamerika und den Missionen kamen, verfügten nicht über die Mittel und Möglich­keiten, die von ihnen vertretenen Standpunkte zu verbreiten bzw. zu publizieren. Und in der Nachschau lässt sich feststellen, dass die etablierten Nachrichtenagenturen, die zumeist nordamerikanischen und europäischen Bischofskonferenzen unterstanden, den Interessier­ten in den 1960er-Jahren viele auf dem Konzil vertretene Positionen verschwiegen, obwohl diese angesichts der gegen­wärti­gen Krise der katholischen Kirche nicht selten Prophezeiungen gleichkommen. Darüber hinaus wurden deren Standpunkte auch in der Konzilsgeschichtsschreibung, wenn überhaupt, nur am Rande behandelt. Erst jetzt, 50 Jahre nach dem Konzil, widmet sich ein italieni­scher Historiker dem Anliegen dieser Konzilsväter.34

Resümee

Festzuhalten ist zunächst, dass das Zweite Vatikanische Konzil in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts stattgefunden hat, einer Zeit also, in der das parlamentarische Prinzip bei weitem noch nicht in der Form verankert war wie heute. So nimmt es nicht wunder, dass sich nicht alle Konzilsväter mit parlamentarischen Gepflogen­heiten auskannten. Sie machten sich zunächst keine Gedanken um die Aufstellung von Rednerlisten, um geschickte Handhabung der Geschäftsordnung, um Anträge auf Unterbrechung oder Schluss der Debatte, um Verunsicherung von Rednern durch Zwischenrufe etc. Dass es sich dabei aber um ein Machtinstrumentarium handelt, war einigen Sachverständigen und Bischöfen durchaus bewusst. Exemplarisch bezeugt das die Aussage von Giuseppe Dossetti (1919–1969), einem der Gründer der Democrazia Cristiana, sozu­sagen der italienischen CDU, der schon bei der Verfassunggeben­den Versammlung Italiens 1946 dabei gewesen war, 1959 zum Priester geweiht worden war und auf dem Konzil die Rolle eines Sachverständigen einnahm. Gleich zu Beginn des Konzils, am 10. November 1962, äußerte er sich unter Vertrauten folgender­maßen: „Ein erfolgreicher Kampf geht nur über die Verfahrens­ordnung; ich habe immer auf diese Weise die anderen besiegt!"35

Aussagen wie diese machen deutlich, dass die Rolle, die formalen Aspekten – etwa Beschränkung der Redezeit, Verlängerung der Frist für die Einreichung von Redemanuskripten und Heraufsetzung der Quoren für Anträge – für die Bewertung inhaltlicher Beschlüsse des Konzils zukommt, bisher noch zu wenig untersucht ist. So ist ins­besonde­re zu fragen, ob die Änderungen von Bestimmungen, die an der Geschäftsordnung des Konzils zu Beginn jeder Sitzungsperiode und zum Teil auch während der Sitzungsperioden vorgenommen wurden, nicht noch weitreichendere Konsequenzen nach sich gezo­gen haben als eine Pressearbeit, die hauptsächlich von Interessen­gruppen durchgeführt wurde, und eine in manchen Bereichen nicht befriedigende Dokumentation der Konzilssitzungen.

 

Fußnoten:

[1] Vgl. A. Wikenhauser, Die Stenographie auf der Synode zu Konstantinopel im Jahre 448, in: Korrespondenzblatt 52 (1907) 161–170; ders., Die Stenographie auf der Räubersynode zu Ephesus im Jahre 449, ebd. 195–206; ders., Beiträge zur Geschichte der Stenographie auf den Syno­den des 4. Jahrhunderts n. Chr., in: Archiv für Stenographie NF 4 (1908) 4–9, 33–39; ders., Die Steganographie auf der dritten allgemeinen Synode zu Ephesus im Jahre 431, in: Korrespondenzblatt 57 (1912) 75–78; ders., Die Steganographie auf dem vierten allgemeinen Konzil zu Chalcedon im Jahre 451, ebd. 100–104; ders., Die Steganographie auf der Synode zu Konstantinopel im Jahre 536, ebd. 132–135; ders., Zur Frage nach der Existenz von Nicaenischen Synodalprotokollen, in: J. Dölger (Hg.), Konstantin der Große und seine Zeit: Festgabe zum Konstan­tins-Jubiläum 1913 für Anton de Waal. Bd. 1. Freiburg 1913 (Römische Quartalschrift; Supplement 19), 122–142; ders., Die Notare auf der fünften allge­meinen Synode zu Konstantinopel im Jahre 553, in: Korrespondenzblatt 58 (1913) 67; ders., Die Notare auf der Lateransynode unter Papst Martin I. im Jahre 649, ebd. (1913) 68; ders., Die Notare der sechsten allgemeinen Synode zu Konstantinopel im Jahre 680–681, ebd. 68–69.

...

[6] Am 29. Januar 1961 schrieb zum Beispiel P. G. Colombi im Osservatore Romano, der offiziellen Zeitung des Vatikans, in dem er das Leben eines mittler­weile seliggesprochenen Stenografen des Ersten Vatikanums und späteren Ordens­gründers darstellte, dass eine kleine Maschine, aufgestellt in der Ecke ei­nes Saales, getreu jedes Wort des Redners, des Versammlungsleiters, jede Zwischen­frage und jede Unterbrechung aufzeichne, und endet mit den Worten: „Il magnetofono ha annullato l'opera validissima, sino ad ieri, degli stenografi." (Übers. Vf.: Das Tonbandgerät hat die bis in die jüngste Vergangenheit sehr wert­volle Arbeit der Stenografen überflüssig gemacht).

[7] NStPr 9/3 (1961) 88.

[8] Vgl. A. Kennerknecht/A. Kloos, Introductio in Stenographiam Latinam, Darm­stadt 1962. – Inwieweit dabei auf die Arbeiten von Martin Günther, der 1928/29 eine Übertragung der Einheitskurzschrift auf die lateinische Sprache konzipiert hatte, die sogar vom Deutschen Stenografenbund anerkannt wurde (vgl. hierzu G. Ostermeyer, Dr. Martin Günther im Ruhestand, in: NStPr 22 (1974) 71), zurückge­griffen wurde, konnte noch nicht eruiert werden.

[9] Michael Smith, geb. am 6. Juni 1940 in Oldcastle, 1963 in Rom zum Priester ge­weiht, 1983 Weihbischof und 1990 Bischof von Meath.

[10] Dt. Übers. durch Vf. aus D. Lane/B. Leahy, Vatican II: Facing the 21st Century. Historical & Theological Perspectives, Dublin 2006: "Towards the end of 1961 the Rector of the Irish College asked if I would be willing to become involved in the group that was to be entrusted with the task of compiling the official record or Acta of the Council. This would involve learning Latin shorthand. I was then in my third theology year at the college studying at the Lateran University and obviously I didn't need to be asked twice. In all, forty-two students drawn from the seminaries in Rome were invited to take part, the majority of them Italian. We had a German teacher who had devised his own system of Latin shorthand, Dr Aloys Kennerknecht. As well as following our normal course in the university we also attended classes most evenings at the Vatican. It was an interesting if demanding experience."

[11] F. Giulietti, La stenografia nel Concilio Vaticano II. Il funzionamento, in: Rivista degli Stenografi 44 (1964) 73–76, hier S. 74.

[12] N. N., 2. Vatikanisches Konzil. Priester stenografieren das Konzil, in: DStZ 70 (1962) 237–239, hier S. 238.

[13] Helmut Krätzl (* 23.10.1931), Studium der Theologie in Wien, 1954 Priester­weihe, 1959 Promotion in Theologie in Wien, 1960–1964 Aufbaustudium und Promotion in Kirchenrecht in Rom, 1964 Pfarrer in Laa an der Thaya, 1969 Ernennung zum Ordinariatskanzler und 1977 zum Weihbischof der Erzdiözese Wien.

Vgl. Festvortrag zum 75. Geburtstag von Bischof Reinhard Lettmann am 9. März 2008 in der Halle Münsterland; http://kirchensite.de/?myELEMENT=146922 [14.06.2008]. – Dankenswerterweise hat S. Exzellenz Dr. Krätzl mir aus seinen Unterlagen das Lehrbuch von Kennerknecht zur Verfügung gestellt und zur Auf­klärung einiger offener Fragen einen wesentlichen Beitrag geleistet.

[15] Vgl. A. Kennerknecht, Stenographiae Latinae: exercitationes, Frankfurt 1963.

[16] Motu proprio „Appropinquante Concilio", in: Acta Apostolicae Sedis 54 (1962) 609–631, hier 617: „Tachigraphi Patrum orationes ac disceptationes in Congregationibus generalibus scripto mandant; dein suas notas in communem scripturam translatas Secretario generali tradunt ut relationes scriptae officiales conficiantur."

[17] Vgl. Westfälische Nachrichten, Sonderbeilage „Zeit für Zukunft" vom 8. Novem­ber 2006, 4.

[18] Vor diesem Hintergrund erklärt sich vielleicht auch, dass nach den oben zitierten Berichten [Anm. 11 u. 12] über die stenografische Protokollierung eigentlich nur noch ein allgemeiner Bericht erschien: R.-P. Limouzy, La Sténographie aux IIe concile œcuménique du Vatican, in: La vérité sténographique, April 1965; dt. Übersetzung: Die Stenographie beim II. Vatikanischen Konzil, in: Bayerische Blätter für Stenographie 98/8 (1965) 125–127. Hierbei handelt es sich allerdings um eine ziemlich freie, zum Teil auch leicht verfälschende französische Bearbei­tung von F. Giulietti, La stenografia nel Concilio Vaticano II. Il funzionamento, a. a. O.

[19] S. hierzu F. Giulietti, La stenografia nel Concilio Vaticano II. Il sistema, in: Rivista degli Stenografi 43 (1963) 95–98, der dieser Kurzschriftanpassung neben dem Geist der Gabelsberger-Kurzschrift auch viele liberale Elemente zuerkennt, da sie sich nicht zu eng an linguistischen Strukturen orientiere.

[20] Vgl. M. Klotz, Stenographie im Schwarzen Kabinett, in: NStPr 60/1 (2012) 1–12, hier S. 12, Anm. 38.

[21] So jedenfalls F. Giulietti, La stenografia nel Concilio Vaticano II. Il funzionamento, a. a. O., 75. Er spricht hier von 4 Franzosen, 4 US-Amerika­nern, 3 Italienern, 1 Spanier, 1 Libanesen und 1 Ägypter.

[22] Vgl. D. Lane/B. Leahy, a. a. O.: „In the end the group became twelve ..."

[23] a. a. O., wird Lettmann mit den Worten zitiert: „... zunächst als Stenograf, später als Platzanweiser in der Konzilsaula." – Auf der Internetpräsenz des Bistums Münster findet sich in einem am 07.12.2005 geführ­ten Interview mit Bischof Lettmann noch eine ausführlichere Erläuterung: „Die Bischöfe saßen im Petersdom in engen Blöcken mit bis zu 100 Personen. Jeder Block bekam einen Helfer, der Unterlagen austeilte und die Magnet-Abstimmungs­karten einsammelte. Ich hatte die Reihe der ältesten Erzbischöfe. Da muste ich manchen anstoßen und sagen: ‚Es wird Zeit, den Strich zu ma­chen.'" [http://kirchensite.de/nc/aktuelles/nachrichten‑archiv/archivartikel/?type=98&myELEMENT=104593 / 16.08.2011] –

[24] Vgl. F. Giulietti, La stenografia nel Concilio Vaticano II. Il funzionamento, a. a. O., 74.

[25] Brief von S. Ex. Dr. Helmut Krätzl vom 25. Jänner 2011 an Vf.

[26] Vgl. Acta synodalia sacrosancti Concilii Oecumenici Vaticani Secundi (ASCV), Città del Vaticano, 25 Bde., I/1 (1970)–IV/7 (1978).

[27] Die stenografischen Mitschriften aus der 1. und Teilen der 2. Sitzungsperiode sind aller Wahrscheinlichkeit nach dem Vatikanischen Geheimarchiv übereignet worden; späteren Aufzeichnungen ist dann aber wohl keine Beachtung mehr ge­schenkt worden, sodass diese Mitschrift vom Stenografen einfach mitgenommen werden konnte.

[28] J. A. Komonchak, Unterwegs zu einer Ekklesiologie der Gemeinschaft, in G. Alberigo/G. Wassilowsky, Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils 1959–1965, Bd. IV 1997, 85 f. Fußnote 243.

[29] Vgl. P. Doria, Quanto Concilio ancora da studiare, in: Osservatore Romano vom 1. Mai 2012.

[30] Vgl. exemplarisch W. Seibel/L. A. Dorn, Tagebuch des Konzils. Die Arbeit der zweiten Session, Nürnberg/Eichstätt 1964.

[31] Die Berichte darüber, dass es bei der Verlesung einer Relatio zum Schema Religions­freiheit, über die eigentlich nicht abgestimmt werden sollte, achtmal Beifall gab, um doch noch eine Abstimmung zu erzwingen, finden keinen Wider­hall im Protokoll (ASCV III/8 (1976) 415–422), ebenso wie der laut Berichten donnernde Applaus, als im Kirchenschema der Gottesmutter Maria der Titel Mater ecclesiae zuerkannt wurde (ASCV III/8 (1976) 916).

[32] Vgl. ASCV III/1 (1973) 430–432.

[33] Ich stütze mich hier auf die Aussage des Postulators des Seligsprechungs­verfahrens von Pius XII., P. P. Gumpel SJ, die dieser gegenüber meinem Kolle­gen Dr. Michael F. Feldkamp getätigt hat. Zur entsprechenden Absicht von Erz­bischof Suenes findet sich auch zum 1. Oktober 1964 ein Tagebucheintrag bei Y. Congar, Mon Journal du Concile, Bd. II, Paris 2002, 175. – Allgemein zur Idee der Kanonisierung Johannes' XXIII: A. Melloni, La causa Roncalli. Origini di un Processo canonico, in: CrSt 18 (1997) 607–636.

[34] Vgl. R. de Mattei, Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011. – Dieses Werk ist jüngst mit umfangreichem Personen­register in zweiter Auflage erschienen. Erstmals werden hier auch umfang­reiche Übersetzungen von in den gedruckten Protokollen enthaltenen Konzils­reden gebracht.

[35] M.-D. Chenu, Diario del Vaticano II. Note quotidiane al Concilio 1962–1963, tr. it. Il Mulino, Bologna 1996, p. 101: „La battaglia efficace si gioca sulla procedura. È sempre per questa via che ho vinto."