Modifizierte Fassung des auf der Fachtagung des Verbandes der Parlaments- und Verhandlungsstenografen am 20. November 2010 in Karlsruhe gehaltenen Referats
aus: NStPr 59/3 (2011) 67–78
Rhetorischen Stilmitteln in den Reden von Politikern wird heutzutage vielfach keine große Bedeutung mehr zugemessen. In einem Standardwerk von 2003 heißt es sogar:
Insgesamt kann man wohl sagen, daß im Rahmen der Herausbildung des „Arbeitsparlaments" der Gebrauch rhetorischer Mittel im Vergleich zu früheren Parlamenten nach und nach immer weiter abgenommen hat. Weil sich darin nicht nur das äußere Kennzeichen stilistischer Verflachung, sondern auch eine Tendenz zur Versachlichung sehen läßt, muß man diese Entwicklung nicht notwendigerweise bedauern.1
All das mag in gewissem Umfang zutreffen, und auch gewisse Floskeln, die sich vielfach in stenografischen Gruppenkürzungen manifestieren, mögen überhandnehmen, aber jeder Parlamentsstenograf hat sicherlich auch schon gegenteilige Erfahrungen gemacht. Gerade dem oben beschriebenen Trend zur Versachlichung steht ein mindestens ebenso starker Trend zu parteipolitisch oder wahltaktisch geprägten Reden gegenüber. Gerade in solchen Reden kommt es eben neben inhaltlichen Argumenten auf eine überzeugende Rhetorik an. So bemühen sich viele Abgeordnete um eine gute Rhetorik und sicheres Auftreten: durch Auswendiglernen der Rede, durch Stichpunktzettel oder gar das Üben freier Rede. Man vermeint hier auch einen gewissen Einfluss von außen zu verspüren. So ist eine Rednerschule extra vom Rhein an die Spree mitgezogen und ankert auf einem kleinen Schiff direkt an den Bundestagsbauten, quasi in Sichtweite vom Reichstag. Insofern dürfte es lohnend sein, in der Zeitschrift unseres Verbandes wohl zum ersten Mal, den Blick auf rhetorische Stilmittel in der Plenarrede zu fokussieren.
Rhetorische Stilmittel spielten und spielen zum einen in der Lyrik und in der dichterischen Prosa eine große Rolle, dann aber auch in den (Basis-)Demokratien der Antike, wo sie von großen Rednern dazu eingesetzt wurden, das Volk von der eigenen Meinung und Fähigkeit zu überzeugen. Klassisch wurden geradezu die Reden von Cicero vor dem römischen Senat, in Volksversammlungen und bei Gerichtsverhandlungen und die rhetorisch durchgebildeten Kriegsberichte von Caesar. Beide erzielten mit ihren rhetorischen Fähigkeiten grandiose Erfolge über ihre politischen Gegner bzw. Widersacher. In späterer Zeit sind als große Rhetoriker insbesondere christliche Autoren und Prediger wie Augustinus, Ambrosius oder Chrysostomus bekannt. Von der karolingischen Renaissance bis zum späten Mittelalter bildete die Rhetorik als eine der sieben Artes liberales zusammen mit Grammatik und Dialektik im sprachlichen Trivium die Grundlage für alle schulisch-universitäre Ausbildung. Hoch‑Zeiten der Rhetorik läuteten dann noch einmal die Predigerorden ab dem 12. Jahrhundert und später die Auseinandersetzung zwischen Reformatoren und zumeist jesuitisch geprägten Gegenreformatoren im 16. Jahrhundert ein. In der Neuzeit kam die Rhetorik in Europa erst wieder durch die parlamentarischen Bewegungen zu Ehren, die sich in Nationalversammlungen und Parlamenten manifestierten.
Im Folgenden geht es natürlich nicht um alle der über 100 Stilmittel, die sich im Laufe der Geschichte in den verschiedenen literarischen Gattungen herausgebildet haben, sondern nur um diejenigen, die in Reden sinnvoll eingesetzt werden können. Während es bei der Protokollierung von Ausschüssen oder Anhörungen einzig auf die inhaltlichen Aussagen ankommt und man deshalb die Ausführungen nach logischen, normativen Denkgesetzen aufbereitet, etwa durch Kürzungen oder Umstellungen, kann es bei der Plenarrede gerade nicht allein darum gehen, alles in einen logischen Sinnzusammenhang zu bringen; denn gesprochene Sprache ist eben nicht nur ein System von logischen Ausdrucksmöglichkeiten; sie hat mit alogischen, subjektiven Momenten wie Emotion, Gestik, Beteuerung etc. zu tun.
Der üblichen Herangehensweise in Form von Eingriffen in den Wortlaut und redaktioneller Bearbeitung entziehen sich rhetorische Stilmittel häufig: Darum geht es im Folgenden eher um die Rechtfertigung des Wortlautes, zum Teil sogar einer von der Norm abweichenden Schreibweise, die auch im Gegensatz zu grammatischen oder logischen Regeln stehen kann.
Die nun dargestellten Stilmittel zeichnen sich im Gegensatz zu Stilblüten oder Vulgarismen, die im Folgenden außen vor bleiben sollen,[2] dadurch aus, dass sie immer mehrere Wörter, Wortgruppen (vgl. die Kapitel „A. Stilmittel auf der Begriffsebene" sowie „B. Stilmittel mit lautmalerischen Effekten") oder Satzstrukturen (vgl. die Kapitel „C. Stilmittel auf der inhaltlichen Ebene" sowie „D. Stilmittel auf der satzstrukturellen Ebene")[3] umfassen.
A. Stilmittel auf der Begriffsebene
Zunächst einmal geht es um die Beziehungen einzelner Wörter zueinander, also zum Beispiel Wortfülle, eigenartige Wortwahl, überbordenden Wortschmuck, unüblichen Wortgebrauch etc. Dabei kann es sich erstens um Wörter handeln, die in synonymer Beziehung stehen, zweitens um Wiederholungen von Wörtern des gleichen Wortstammes oder drittens um Wörter, zwischen denen eine Spannung besteht bzw. die nur einen Teilaspekt abdecken, aber das Ganze meinen.
1. Synonyme Doppelungen
Ein häufiges Merkmal von Reden ist eine Häufung sinngleicher oder sinnverwandter Begriffe, also Zusätze zu einem Wort oder einer Satzaussage. Hier haben sich schon im Laufe der Geschichte in der Sprache unzählige Wendungen etabliert; wenn man diese im Hinterkopf hat, fällt es einem dann auch leichter, zu entscheiden, ob eine neue Begriffsschöpfung vielleicht auf dem Weg ist, sich zu etablieren, und man vor diesem Hintergrund jede Redaktion vermeiden sollte. Dann gibt es aber auch ein Zuviel des Guten in Form von Bedeutungsverdoppelungen, bei denen ein Eingriff bei der Verschriftlichung erforderlich ist.
a) Sprachliche Wendungen mit gleicher bzw. neuer Bedeutung
Nicht selten kommt es vor, dass durch zwei bedeutungsgleiche oder sinnverwandte Wörter, also Synonyme, das Gleiche ausgedrückt werden soll (Tautologie[4]). Beispiele hierfür sind Wortpaare aus Adjektiven (einzig und allein, nie und nimmer, angst und bange, ganz und gar, immer und ewig, schließlich und endlich, aus und vorbei, still und leise), aus Verben (hegen und pflegen), oder aus Substantiven (an Ort und Stelle, Hilfe und Beistand, Gelaufe und Gerenne). Zwar haben hier die beiden Wortbestandteile schon für sich allein meist die gleiche Bedeutung wie der gesamte Ausdruck, sie erfüllen aber eine rhetorische Verstärkungsfunktion und sind in der Sprache eingebürgert. Ein redaktioneller Eingriff sollte somit entfallen. Als Doppelungen durch eine beiordnende Verbindung zweier ähnlicher Begriffe können beide zusammen auch einen neuen Begriff bezeichnen, indem also eine Sache durch zwei andere Sachen bezeichnet wird (Hendiadyoin5). Auch hierbei handelt es sich oft um feststehende Ausdrücke der gleichen Wortart.
Beispiele für diese Ergänzung von Teilbedeutungen zu einer neuen Gesamtbedeutung bei Substantiven wären etwa: Tag und Nacht (Gesamtbedeutung „ständig"), Feuer und Flamme sein („begeistert"), in Bausch und Bogen („total"), nach Lust und Laune („nach Belieben"), Saus und Braus („verschwenderischer Überfluss"), Hans und Franz bzw. Hinz und Kunz („jedermann"), Sack und Pack („sämtliches Gepäck"), Tür und Tor („Zugänge"), Wind und Wetter („Wetterunbill"), Schloss und Riegel („verschlossen"), Lug und Trug („bösartige Täuschung"), mit Fug und Recht („mit voller Berechtigung"), in Amt und Würden („amtierend"), Mord und Totschlag („Gewaltexzess"), Kind und Kegel (ursprünglich rechtssprachlich in der Gesamtbedeutung „sämtliche Nachkommenschaft"). Wie schon an den letzten Beispielen ersichtlich, handelt es sich vielfach um rechtssprachliche Paarformeln, bei denen insbesondere historisch oder formal zu unterscheidende Begriffe zu einem Topos zusammengefasst werden. Weitere Beispiele hierfür wären: Grund und Boden („Grundeigentum"), Hab und Gut („sämtlicher Besitz"), Haus und Hof („Wohneigentum"), Recht und Ordnung („Gesetzesmäßigkeit").
Diese Paarformeln gibt es auch bei Verben wie übergeben und überantworten, wie es leibt und lebt („lebensecht", „authentisch", „vital") und natürlich auch bei Adjektiven bzw. Pronomen wie recht und billig („in Ordnung"), hin und wieder („gelegentlich"), ab und zu („manchmal"), kreuz und quer („durcheinander"), dies und das („Verschiedenes"), schön und gut („so weit in Ordnung"), klipp und klar („eindeutig"), frank und frei („unverblümt"), samt und sonders („alles zusammen"). Gerade an den letzten Fällen wird deutlich, wie tief in der Geschichte der deutschen Sprache diese Paarformeln verwurzelt sind; denn die Begriffe frank, rank und klipp sind heute einzeln in der Sprache völlig ungebräuchlich.
b) Bedeutungsverdoppelung/eigentlicher Sachverhalt
Um die Aussagekraft von Reden zu erhöhen, wird allerdings nicht nur auf diese etablierten Formeln zurückgegriffen, sondern es finden sich auch Bedeutungsverdoppelungen, die an sich selbstverständlich und damit überflüssig sind und mit denen auch nichts Neues gesagt wird, sondern nur das Gesagte unterstrichen werden soll (Pleonasmen). Hier stellt sich nun die Frage, wann es sinnvoll ist, zu redigieren, und wann nicht.6
Das häufigste Beispiel für eine an sich überflüssige Bedeutungsverdoppelung im Deutschen ist die Bestimmung eines Substantives mit einem Adjektiv, dessen Inhalt schon beim Substantiv mitgegeben ist wie runder Kreis, kaltes Eis. Diese wirkt in der Verschriftlichung meistens lächerlich, es sei denn, es geht um Relativierungen wie kaltes Eis gegenüber schmelzendem Eis etc.
Schwieriger zu erkennen sind überflüssige Wörter allerdings in Wendungen wie „Preisabsenkung um minus 80 Prozent" oder „ein bedeutender Vorteil zugunsten von". Auch solche überflüssigen Wendungen sollten im Regelfall bei der Verschriftlichung redigiert werden:
Wortlaut: ..., dass sich die Situation in Libyen zulasten der Freiheitskämpfer verschlechtert hat.
Variante mit redaktionellem Eingriff: ..., dass sich die Situation der Freiheitskämpfer in Libyen verschlechtert hat. [17/95][7]
Wortlaut: die Lebensbedingungen eines jeden einzelnen Kindes.
Variante mit redaktionellem Eingriff: die Lebensbedingungen eines jeden Kindes. [17/105]
Anders sieht es allerdings bei einer besonderen Eigenart der Bedeutungsverdoppelung aus: So hat sich im Deutschen ein ganz pragmatischer Umgang mit Fremdwörtern herausgebildet, indem diesen ein deutsches Wort beigestellt wird. Häufig sind hier Zusammensetzungen aus Fremdwort und deutscher Vorsilbe, zum Beispiel beim Verb aufoktroyieren – eine Verschmelzung aus dem französischen Lehnwort „oktroyieren" und der deutschen Übersetzung „aufzwingen" – sowie in der Wendung vorprogrammiertes Chaos. Zwar würde „programmiertes Chaos" ebenso wie „oktroyieren" völlig genügen, doch damit würde man einer Rede bei der Verschriftlichung einen wissenschaftlichen Charakter geben, den der Redner vielleicht gar nicht gewollt hat. Diese im fremdsprachlichen Bereich durchaus legitime Entwicklung findet sich spiegelbildlich allerdings manchmal auch im Deutschen wieder: Infolgedessen gibt es Beschäftigte, deren derzeitige Einkommen gegenüber den Einkommen von vor zehn Jahren um 10, 20 oder 30 Prozent abgesunken sind [17/99]. Hier kann ohne Weiteres eine Reduzierung des Verbes um die Vorsilbe „ab-" vorgenommen werden.
Neben der Variante mit deutschen Vorsilben sind in der Sprache längst weitere Zusammensetzungen wie Eigeninitiative, auseinanderdividieren, Cuttermesser eingebürgert. Einen besonders schönen Fall stellt der Begriff klammheimlich dar, bei dem zur Steigerung von „heimlich" einfach das lateinische Wort für heimlich, nämlich „clam", vorangestellt wird. In diesen Fällen ist wiederum ein redaktioneller Eingriff ziemlich unangebracht.
Diffiziler sieht es aus, wenn der Inhalt des Fremdwortes durch ein bedeutungsgleiches deutsches Wort wieder aufgenommen wird. Einen Grenzfall stellt der Satz Daher werde ich mich auf einige exemplarische Beispiele beschränken dar. Dagegen ist im folgenden Fall eine Redaktion wohl angebracht: Ist der Bundesregierung bekannt, dass es für die Heeresversuchsstelle Kummersdorf eine integrierte Konzeption gibt, die sowohl Denkmalschutzbelange als auch naturschutzfachliche Belange einbezieht. [17/67] Hier wäre entweder das Adjektiv „integrierte" zu streichen oder der Relativsatz in einer Partizipialwendung aufzulösen: ... sowohl Denkmalschutzbelange als auch naturschutzfachliche Belange integrierende Konzeption ...
c) Überblick im Satz
Zu der soeben dargestellten doppelt gemoppelten Verwendung von Begriffen im Satz kommt es gerade bei der freien Rede häufig auch in anderen Verbindungen wie „Wir haben die Möglichkeit, etwas tun zu können", „Wir müssen leider bedauern" etc. Im Folgenden einige Beispiele aus der parlamentarischen Praxis, bei denen jeweils ein Wort bzw. eine Wortgruppe überflüssig ist:
Es sollte doch uns allen am Herzen liegen, dass Frauen die gleichen Karrieremöglichkeiten und -chancen haben wie Männer.
Dieses Szenario dürfte wahrscheinlich werden, wenn die Bundesregierung ihre Absicht in die Tat umsetzt, das Erneuerbare‑Energien-Gesetz in den nächsten Jahren wirklich grundlegend zu ändern.
Deshalb zielt unser Gesetzentwurf darauf ab, die Berater und, was noch wichtiger ist, vor allem die Vertriebsverantwortlichen in den Fokus der Finanzaufsicht zu nehmen.
Deshalb sehen wir die Einführung von Produktinformationsblättern vor, die häufig auch als sogenannte Beipackzettel bezeichnet werden.
Der Ausschuss hat den Wunsch geäußert, dass die Regierung den Gesetzentwurf möglichst bald vorlegen möge (besser: ... möglichst bald vorlegt).
Natürlich kann es nicht darum gehen, alle Pleonasmen radikal zu beseitigen; dann würden die Texte steril wirken. In diesem Sinne noch zwei Beispiele, in denen im Plenarprotokoll des Bundestages keine Redaktion vorgenommen wurde:
In diesem Moment muss die Bundeswehr eine ernsthafte Alternative sein, eine Alternative, die Möglichkeiten bietet und Chancen eröffnet. [17/95, Abg. Koschyk]
Das Beste, was wir für mehr soziale Gerechtigkeit in diesem Lande tatsächlich tun können, ist, dafür zu arbeiten, dass die Menschen alle mehr Chancen auf Beschäftigung und auf Arbeit haben. [17/60, Finanzminister Schäuble]
2. Identische Doppelungen
a) Doppelungen gleicher Wortstämme in unterschiedlichen Wortarten
Eine besondere Form von Doppelungen liegt vor, wenn Verb/Partizip/Adverb und Substantiv vom gleichen Wortstamm kommen (figura etymologica). Klassisch ist das Griechische ergon ergazestai – Arbeit arbeiten, das ja auch im letztgenannten Beispiel schon durchscheint. Das klingt im Deutschen allerdings genauso wie „ein Spiel spielen" oder „eine Frage fragen" eher abgedroschen, und man würde wohl besser redigieren zum Beispiel in: Arbeit verrichten. Dagegen funktioniert diese Figur auch im Deutschen in der Wendung: an meiner Arbeit arbeiten. Diese Ambivalenz zeigt sich dann auch in dem Unterschied zwischen gesprochener Sprache und der Verschriftlichung: Was gesprochen noch eindringlich wirkt, sollte in der Schriftform häufig redigiert werden:
Wortlaut: Dazu gehört auf jeden Fall, dass es in den neuen Bundesländern in individuellen Wahrnehmungen ein gefühltes Ungerechtigkeitsgefühl gibt
Redaktion: Dazu gehört auf jeden Fall, dass es in individuellen Wahrnehmungen in den neuen Bundesländern gefühlte Ungerechtigkeit gibt. [17/78]
Wortlaut: ... ein deutliches Zeichen der Verbundenheit gezeigt hat.
Redaktion:... ein deutliches Zeichen der Verbundenheit zum Ausdruck gebracht hat. [17/88]
Wortlaut: Deswegen werden wir in den kommenden Monaten auch mit der entsprechenden Gesetzgebungsinitiative kommen. - So der Redner, so auch in Protokoll 17/85; also keine Beanstandung durch Revision und Endredaktion.
Beim letzten Beispiel handelt es sich in gewisser Weise um einen Grenzfall; hier müsste nicht unbedingt eingegriffen werden, da die adverbiale Bestimmung „in den kommenden Monaten" satzlogisch ziemlich weit vom Verb entfernt ist. Manchmal ist ein Eingriff auch fast unmöglich, ohne den Duktus des Redners völlig zu verlassen, wie im folgenden Beispiel einer Figura etymologica zwischen Adverb und Akkusativobjekt: Er hat kämpferisch den Kampf um seine Gesundheit aufgenommen (so der Vorsitzende der Jungen Union über den Vorsitzenden der Senioren‑Union beim CDU‑Parteitag in Karlsruhe).
b) Doppelungen gleicher Wörter
Schließlich liegt manchmal in der Einfachheit die Würze. Einfachste Pleonasmen können durch Wiederholung des gleichen Wortes auch als bewusst eingesetztes Stilmittel dienen. So wäre an folgendem Wortlaut des Bundespräsidenten aus seiner Rede auf dem XIX. Deutschen Bankentag im Jahr 2011 sicherlich keinerlei Redaktion zulässig:
Einerseits werden Sportanlagen und Bibliotheken aus Geldmangel geschlossen, andererseits wird über Hunderte Milliarden verhandelt – das ist für sehr, sehr viele Bürger nur ganz, ganz schwer nachzuvollziehen.
Interessanterweise ist offiziell im Bulletin der Bundesregierung nur folgender Wortlaut abgedruckt: Das ist für sehr viele Bürger nur schwer nachzuvollziehen. – Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die vorgedruckte Rede. Aber man sieht schön, wie viel an Eindringlichkeit gegenüber dem gesprochenen Wort fehlt und wie wichtig es gewesen wäre, den vollständigen Wortlaut, wie er auch in den Medien gebracht wurde, zu dokumentieren.
3. Wortwidersprüche, Mehrdeutigkeiten, Teilaspekte
Innere Widersprüche und Doppeldeutigkeiten begegnen allen, die mit Politik zu tun haben, nicht selten. Die rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander (scheinbar) widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird, trägt den schönen Namen Oxymoron[8]. Bei einzelnen Wörtern findet es sich im politischen Sprachgebrauch, zum Beispiel in Wortzusammensetzungen wie Regelausnahme, Minuswachstum, Hassliebe, und als contradictio in adiecto zwischen Substantiv und Adjektiv: alter Knabe, offenes Geheimnis, absichtliches Versehen, fröhliche Traurigkeit, versehentliche Absicht. Manchmal begegnet es einem auch in der Satzaussage, etwa in folgendem Beispiel, bei dem der Wortlaut des Redners auch nicht korrigiert wurde: Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir nun Lücken schließen und Ungleichgewichte ausgleichen, die die Praxis der vergangenen Jahre aufgezeigt hat. [17/65]
Auch Doppel- bzw. Mehrdeutigkeiten ergeben sich vielfach in der gesprochenen Sprache. Hier ist der Stenograf gefordert, darauf zu achten, dass bei der Verschriftlichung nicht etwa ein intendierter Sinn verloren geht. So stellt sich bei dem Beispiel: Betroffen von der Gesundheitsreform sind besonders Kranke/kranke und alte Menschen die Frage, ob hier nur kranke alte Menschen gemeint sind, oder Kranke und alte Menschen. Zwingend muss hier auf den Sinnzusammenhang rekurriert werden. Eine bewusst gewollte Ambiguität in der gesprochenen Sprache zu verschriftlichen, ist dagegen sehr schwierig. In obigem Beispiel wäre es so denkbar, „und" durch „bzw." zu ersetzen. Das gleiche Problem stellt sich auch bei dem Satz: In der Zuhörerschaft sitzen alte Frauen und Männer. - Auch hier stellt sich die Frage, ob alte Frauen und unterschiedlich alte Männer gemeint sind oder ob gemeint ist, dass das gesamte Publikum alt sei.
Ein anderes beliebtes Stilmittel auf der Begriffsebene lässt sich dagegen zumeist problemlos in der Schriftfassung abbilden: Von einer Synekdoche spricht man, wenn ein Eigenname als Gattungsbegriff oder umgekehrt der Teil für das Ganze oder das Ganze für einen Teil benutzt wird. Beispiele hierfür wären: Das ist eine wahre Herkulesaufgabe (also eine Aufgabe, die nur von starken Menschen geleistet werden kann); Kritikerpapst für Marcel Reich-Ranicki; Der Franzose isst gern gut (für die französische Küche); Sie leben alle unter einem Dach (für Haus/Wohnung).
B. Stilmittel mit lautmalerischen oder rhythmischen Elementen
1. Gleiche Anfangsbuchstaben
Die Alliteration, also Wörter mit dem gleichen Buchstaben (litterae!) direkt oder ziemlich nah nacheinander zu setzen, ist wohl eines der Stilmittel, die sich stark im Unterbewusstsein festsetzen. Eine ganze Reihe der oben dargestellten synonymen Wortpaare weist auch schon dieses Stilmittel auf (Haus und Hof, samt und sonders etc.). So nimmt es auch kein wunder, dass dieses Stilmittel besonders in der Werbesprache gerne eingesetzt wird: Mit einer fünffachen Alliteration stellt der Werbespruch Milch macht müde Männer munter sicherlich die Krönung dar; aber auch, wenn Wörter mit gleichen Anfangsbuchstaben nicht gleich unmittelbar aufeinanderfolgen, wirkt die Alliteration. So lautet ein Werbespruch aus jüngerer Zeit: Männer gehen nicht auf den Markt, sondern in den Markt – Media Markt.
Auch im politischen Geschäft kann die Alliteration auf eine lange Tradition zurückblicken. Wer kennt nicht Cäsars „Veni vidi vici"? Aktuellere politische Anwendungsbereiche finden sich zum Beispiel in einer Zeitungsanalyse der Vorgänge in den USA: Die Kongresswahl 2010 wird als Wahl der Wut in die Geschichte eingehen, oder in einer Zeitschriftenanalyse der letzten Labour‑Amtszeit in Großbritannien: Tony Blairs Verhältnis zu den Briten ähnelt einer Ehe: Vergötterung, Vertrautheit, Verdruss und letztlich Abkehr und Verachtung. Besonders pikant wird es, wenn die Alliteration zur Beschreibung politischer Feindbilder verwendet wird: Der SPD‑Vorsitzende Gabriel sprach bezüglich der Banker in der Debatte zum Euro‑Rettungsschirm vom Mai letzten Jahres von Drohungen dieser Nieten in Nadelstreifen [17/44], und der Grüne Fritz Kuhn bezeichnete den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus im baden-württembergischen Wahlkampf als Platzpatrone in Pralinenpapier.[9] Gerade durch die Alliteration brennt sich hier das krumme Bild in das Bewusstsein der Zuhörer ein.
Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, ob sich in einem Satzgefüge, in das man eigentlich redaktionell eingreifen würde, eine Alliteration befindet: Das ist etwas, was Herr Wiefelspütz witzigerweise immer nach den Haushaltsberatungen gefordert hat, sollte man nicht redigieren in: Das hat Herr Wiefelspütz ...
Schließlich wäre auch zu überlegen, ob man in Ausnahmefällen nicht durch Abweichungen von Formalien dieses Stilmittel besonders hervorhebt, etwa indem man nicht zusammenschreibt, sondern durch einen Bindestrich die Wortanfänge hervorhebt: Schäubles Schulden‑Schlamassel. Selbstverständlich ist auch hier die inhaltlich denkbare Redaktion: Schlamassel, in den uns Schäubles Schulden gebracht haben, nicht angebracht. In diesem Beispiel vermeint man sogar ein gewisses Zischeln der Opposition ähnlich einer Schlange gegen die Regierung zu vernehmen, was eine gute Überleitung zum nächsten Punkt darstellt.
2. Lautmalerische Effekte, Reimformen
Auch Finanzminister Schäuble beherrscht Stilmittel. In der Haushaltsdebatte sagte er zur Finanzpolitik der Regierung: diesen Weg werden wir fortsetzen [17/60]. Diese vierfache Verwendung von Labialen (dreimal der stimmhafte Konsonant w, einmal der stimmlose Konsonant f) könnte man einerseits als Fanfarenruf interpretieren, andererseits aber auch, da er dies in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Brüskierung seines Pressesprechers in der Bundespressekonferenz sagte, als knurriges Bellen auffassen.
Weitere klingende Wortfiguren wie Reimelemente sind dagegen recht selten in Reden, weil man sich damit schnell lächerlich machen kann und Zurufe wie „Alle meine Entchen" etc. zu befürchten stehen. Doch neben dem begnadeten Heinz Erhardt gibt es auch immer wieder Redner, die mit Endungsgleichheit oder einem (End-)Reim – der Fachbegriff dafür klingt schon sehr schön: Homoioteloton – nahe aufeinanderfolgender Wörter umzugehen wissen. Ein Beispiel, das im Hohen Haus 2009 bezüglich des damaligen Wirtschaftsministers zu Guttenberg für großes Raunen sorgte, lautete: Ich will Gott danken, dass es gibt die Franken [16/204, Abg. Michelbach]. Hier dürfte niemals redigiert werden in: Ich will Gott danken, dass es die Franken gibt. - Ein weiteres Beispiel gab ein CDU‑Politiker: ... die Friedensidee Europa. Dafür und nicht für Geld, Verträge, Mechanismen allein setzen wir uns ein [CDU‑Parteitag 2010]. Dies klingt allerdings in einer Rede schon grenzwertig; falls keine Zurufe etc. erfolgen, wäre wohl gegen ein Vorziehen von „allein" zwischen „nicht" und „für" nichts einzuwenden. Auch in Wahlslogans findet sich manchmal Lautmalerei, so in dem schließlich nicht in Erfüllung gegangenen Wunsch der rheinland‑pfälzischen CDU‑Spitzenkandidatin Klöckner auf dem CDU-Parteitag 2010: Beck ist weg, Klöckner kommt.
3. Klauseln: Verbindung von Versmaß, Lautmalerei und Wortbetonung
Manche Reden empfindet man als richtig schwungvoll, ohne dieses positive Gefühl genau fassen zu können. Der Zuhörer wird hier vom Redefluss durch einen gleichmäßig fortlaufenden Ton geradezu gefangen genommen. Dies geschieht am ehesten am Anfang einer Rede, um Aufmerksamkeit zu erheischen, oder am Ende, um den Zuhörer dazu zu bringen, sich dem Urteil des Redners anzuschließen. Dahinter steckt die richtige Verwendung von Versmaß‑Elementen und klingenden Wortfiguren in der Rede, ohne dass eine Rede damit den Charakter eines Gedichtes oder gar eines Liedes bekommt. Hier gibt es unzählige Untersuchungen von antiken Autoren, welche Verbindungen von Lautmalerei, Rhythmisierung und Wortbetonung erlaubt sind; allerdings wurde niemals eine allgemein gültige Theorie entwickelt. Manchem Redner ist hier also die richtige Intuition gegeben, manche andere aber haben durch entsprechende Übertreibungen genau das Gegenteil erreicht. Klassisches Beispiel dafür ist, wie Cicero nach der Rückkehr aus seiner Verbannung infolge der Machtergreifung Cäsars seine erste Rede begann: Diurturni silentii, patres conscripti ...
Auch heute findet sich dieses Stilmittel immer noch, wenn auch verborgen, zum Beispiel in folgendem Satz: Seit Wóchen démonstríern in Stúttgart fríedlich víele Táusend Ménschen. Durch den Gleichklang wird das Friedliebende geradezu betont. Ein ganz anderer Effekt würde sich ergeben, wenn man den Satz umstellte: Viele Tausend Menschen demonstrieren seit Wochen friedlich in Stuttgart. So umgestellt handelte es sich nur noch um eine bloße Feststellung. Ein ähnlicher Effekt lässt sich bei dem mittlerweile zum geflügelten Wort gewordenen Ausspruch von Klaus Wowereit feststellen: ... und das ist auch gut so. Am Ende einer Argumentationskette verwendet, wird der Zuhörer subjektiv geradezu genötigt, sich dem Urteil des Redners anzuschließen. Wer könnte da noch widersprechen? Ohne das „auch" an eben gerade der gewählten Stelle würde dagegen dieser Phrase der Schwung fehlen.
Auch unter dem Aspekt der Klauseln ist übrigens das oben schon angeführte Beispiel „und diesen Weg werden wir fortsetzen" eher negativ. Es ist zwar ein gelungener Satzrhythmus vorhanden, aber die vierfache Abfolge von Labiallauten könnte man auch als Wehtucismus beschreiben – in Anlehnung an den in der Antike ebenso verpönten Lambdacismus (l‑Wiederholungen wie sol et luna luce lucent alba leni lactea) bzw. Mytacismus (m‑Wiederholungen wie mammam meam amo quasi meam animam).
[Fortsetung und Schluss in: NStPr 59/4 (2011) 97-114]
[1] Armin Burkhardt, Das Parlament und seine Sprache, Tübingen 2003, 385.
[2] Hierzu sei auf die Artikel [Kurt Peschel], Stilblüten aus der Praxis, in: NStPr 1/2 (1953) 59, N. N., Stilblüten, in: NStPr 21/2 - 3 (1973) 52, sowie F.‑L. K[lein], Stilblüten und Sprachschnitzer, in: NStPr 30/4 (1982) 82 f., verwiesen.
[3] Der zweite Teil dieses Artikels erscheint voraussichtlich in Heft 4/2011 der NStPr.
[4] Gr. tautología von tó autón „dasselbe" und lógos „Ausdruck", also Ausdruck desselben.
[5] Gr. hen dia dyoin „eins durch zwei".
[6] Vgl. hierzu den Aufsatz des Peter Vo[ssen], Über Pleonasmen, in: NStPr 4 (1955) 122 - 123. - Der frühere Reichstagsstenograf und ehemalige Leiter des Stenografischen Dienstes des Bundesrates unterzieht hier die Veröffentlichung eines französischen Stenografen einer kritischen Rezension.
[7] Hier wird jeweils auf die Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages Bezug genommen. Die Variante, bei der der entsprechende Hinweis steht, hat jeweils Eingang in das Protokoll gefunden.
[8] Gr. oξύμωρος aus oxys, „scharf(sinnig)", und moros, „dumm"; Mehrzahl: Oxymora
[9] Vgl. den Zeitungsartikel von Tina Hildebrandt, Die nackte Kanone, in: Die Zeit 12/2011 vom 17. März, S. 6.